Rede
anlässlich der 1. Verleihung der
Josep-Kuhl-Medaille, 5. Teil
Von Prof. Dr. Günter
Bers [23.03.2009, 20.46 Uhr]
Band 52 Forum Jülicher
Geschichte
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Band
52 Forum Jülicher Geschichte:
"Herunter mit der schwarzen Fahne vom Rathaus!"
Im Anschluss an die vorhin gemachten Ausführungen
möchte ich jetzt eine
neue Publikation der Joseph-Kuhl-Gesellschaft vorstellen, die ein
für
das Selbstverständnis eines demokratischen Staates wichtiges
Ereignis
auf dem jülicher Hintergrund thematisiert, nämlich
eine Untersuchung
der ersten demokratischen Kommunalwahlen von 1919. Nach dem
Staatsumsturz von 1918 war das alte System mit seinem am
Steueraufkommen orientierten Wahlmodus auf der Ebene der Kommunen und
des Landes hinweggefegt worden, und es wurde das schon zuvor im
Reichstagswahlrecht gehandhabte Verfahren der Möglichkeit der
Stimmabgabe für jeden unbescholtenen und
großjährigen Staatsbürger
eingeführt. Neu war jedoch, dass erstmals in der deutschen
Geschichte
auch ein Wahlrecht für den weiblichen Teil der
Bevölkerung gesetzlich
verankert wurde.
Es bedarf keiner Erläuterung, dass diese neuen Vorstellungen
von der
politischen Linken auf den Weg gebracht worden waren, zu deren
Forderungen sie bereits seit langem gehört hatten. –
Das preußische
Kommunalwahlrecht hatte während der Monarchie vorgesehen, dass
die
wahlberechtigte männliche Bevölkerung in drei nach
ihrer Steuerleistung
definierte „Klassen“ eingeteilt wurde. Der oberen
oder ersten Klasse
gehörten in der Regel nur wenige Wähler an, in
Jülich etwa zwei
Dutzend. Die Masse der Bevölkerung war in der III. Klasse
zusammengefasst. In der I. Wählerklasse bedurfte es also nur
weniger
Stimmen, um zum Stadtverordneten gewählt zu werden,
während in der III.
Klasse mehrere hundert Votanten auf einen Bewerber fallen mussten, um
gewählt zu werden. Nach offiziöser Ansicht sollte
damit unnötige und
über die einkommenden Steuern einer Gemeinde zu
tätigenden Ausgaben
vermieden werden. Dieses System war nun abgeschafft, und es bildeten
sich politische Parteien, während die Stadtverordneten der
Jahre bis
zur Novemberrevolution meist als Honoratioren-Club organisiert waren.
In Jülich gab es bis dahin überhaupt nur zwei
politische Strömungen,
nämlich die an der katholischen Kirche orientieren
Zentrumsanhänger,
die Mehrheit der Bevölkerung darstellend, und die Liberalen,
die sich
häufig aus dem evangelischen und jüdischen Milieu
rekrutierten. 1918
wurde in Jülich erstmals ein Ortsverein der SPD
gegründet, was unter
lokalen Auspizien so etwas wie eine Revolution darstellte.
Ihre
Anhänger rekrutierten sich zumeist aus
den Arbeitern der 1918 in
Jülich-Süd eröffneten
Eisenbahnwerkstätte, in der Dampflokomotiven und
Bahnwaggons repariert wurden; die Einrichtung dieses Werkes in
Jülich
hatte hauptsächlich kriegstechnische Gründe gehabt,
um die
Transportkapazität der Bahn zu erhöhen. Daneben gab
es auch noch
kleinere Gruppierungen anderer politischer Optionen, etwa die
Deutschnationalen. Erstmals in der Geschichte der Kommunen musste ein
Wahlkampf geführt werden, und in Jülich geschah dies
mit sehr großer
Erbitterung, mit der vor allem das Zentrum, repräsentiert
durch die
Verlegerfamilie Fischer, die Sozialdemokraten wegen ihrer damaligen
Kirchenfeindlichkeit bekämpfte.
Diese bisher völlig unbekannten Auseinandersetzungen konnten
nun vor
kurzem dank eines bisher in Privatbesitz befindlichen, neu
aufgefundenen Zeitungsbandes des damaligen „Jülicher
Kreisblattes“
rekonstruiert werden. Sie geben einen unverfälschten Einblick
in die
Denk-und Argumentationsweise der damaligen Zeit, und hier wird auch
wieder deutlich, wie wichtig für eine Stadt wie
Jülich ein Archiv ist,
in dem solche Dokumente, fachlich betreut, für die Zukunft
aufbewahrt
werden. Die wochenlang mit großer Schärfe
ausgefochtenen Diskussionen
führten letztlich zu einer absoluten Mehrheit des Zentrums im
Jülicher
Stadtrat, die Hoffnungen der Liberalen und der SPD, die
„schwarze“
Mehrheit in Jülich zu brechen, blieben erfolglos, und dies
sollte sich
bis 1933 weiter fortsetzen. Bemerkenswert ist, dass unter den 24
neugewählten Jülicher Stadtverordneten erstmals zwei
Frauen waren, die
allerdings wenig hervorgetreten sind und nach einiger Zeit ihr Mandat
niederlegten. Politik blieb in Jülich bis weit in die 1950er
Jahre
Männersache.
Quelle:
URL:<http://www.das-juelicht.de/vereine/artikel/8702.php>
(24.03.2009)
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